Kommentar:
Christina Wagner

Voller Begeisterung verkündet der neue Verkehrsminister Madsen die geplante Verlegung der Marschbahn zwischen Elmshorn – Itzehoe. Der schwedische Batteriehersteller Northvolt, der in Heide ein neues Werk erreichten will, fordert eine schnellere Verbindung zwischen Heide und Hamburg. Begründet wird dieses damit, dass ein Teil der 3.000 geplanten Beschäftigten aus Hamburg kommen würden. Da geriet die Streckenführung über Glückstadt schnell ins Visier. Durch eine direkte Verbindung, parallel zur A 23, wäre eine Reduzierung der Fahrzeit um fantastische 10 Minuten möglich. Die Landespolitik hat zugesagt, dieser Forderung nachzukommen. Gleichzeitig versichert man, Glückstadt würde nicht abgekoppelt werden. Dieses erscheint mir allerdings mehr als fraglich.
Bahntechnisch hat Glückstadt in den letzten Jahrzenten zunehmend an Bedeutung verloren. Von den einst umfangreichen Bahnanlagen ist heute nur noch ein bescheidener „Rest-Bahnhof“ geblieben. Die Hafenbahn wurde abgerissen, die Bahnanlagen der Papierfabrik wurden stillgelegt und zum Großteil demontiert. Der Güterbahnhof wurde geschlossen und die Fläche zum Parkplatz umfunktioniert. Das Ausbesserungswerk der Bahn wurde ebenfalls geschlossen und inzwischen abgerissen.
Noch in den 1980er Jahren hielten in Glückstadt Schnellzüge. So konnte man z. B. mit dem D-Zug Westerland - Köln auch Glückstadt erreichen. Wegen der Kaserne hielten am Sonntagabend sogar InterCity-Züge in Glückstadt. Die Bahnsteiglänge erlaubte den Halt derartiger langer Züge. Die ab 2005 die Strecke betreibende NOB konnte in der Folge der Verkürzung der Bahnsteige in Glückstadt mit längeren Zügen nicht mehr halten. Daher verlor Glückstadt weitere direkte Zugverbindungen. Dieser Trend setzte sich fort. Ohne ein Halt in Glückstadt ließen sich schließlich auch 5 Minuten einsparen. Damit wurden schnelle Verbindungen nach Hamburg, nur mit einem Zwischenhalt in Elmshorn, weiter ausgedünnt. Inzwischen verkehrt auf der Strecke die Nordbahn, die von Itzehoe, über Kremperheide, Krempe, Glückstadt, Herzhorn, Elmshorn, Tornesch, Prisdorf, Pinneberg nach Hamburg zuckelt.
Trotz aller politischen Erklärungen ist doch davon auszugehen, dass die Strecke Elmshorn - Herzhorn - Glückstadt – Krempe – Kremperheide – Itzehoe letztlich zu einer Nebenstrecke verkommen wird. Da das Verkehrsaufkommen sich auf dieser Strecke stark reduzieren wird, der Güterverkehr wird auch die neue Strecke benutzen, könnte letztlich die Zweigleisigkeit infrage gestellt werden. Daher ist es durchaus wahrscheinlich, dass in Zukunft ein Gleis demontiert wird und die Strecke eingleisig, mit vielleicht eine Ausweichstelle in Glückstadt, betrieben wird. Da die Fahrgäste aus Elmshorn, bzw. Itzehoe überwiegend die schnellere neue Verbindung nutzen werden, dürften die Beförderungszahlen aus den verbleibenden vier Haltestellen kaum einen dichteren Taktverkehr wirtschaftlich ermöglichen. Dieses lässt nicht ausschließen, dass der Streckenabschnitt eines Tages nur noch von einem Pendelzug zwischen Itzehoe und Elmshorn bedient wird. Eine direkte Verbindung nach Hamburg dürfte dann wohl, abgesehen vielleicht von einem Zug an Morgen und Abend, zu einem Traum werden. Umsteigen in Elmshorn und damit längere Fahrzeiten drohen als neue Realität.
Laut den Landesverkehrsplanern soll die neue Streckenführung allerdings nur Vorteile bringen. Durch die Verteilung der Züge auf zwei Strecken soll es weniger Behinderungen in der Zugtaktung geben. Eine derart kurze Zugfolge auf dem Streckenabschnitt ist mir allerdings neu. Durch den Streckenneubau soll eine Halbstündige Taktung der Regionalzüge zwischen Hamburg – Glückstadt - Itzehoe ermöglicht werden. Diesen Bonbon sehe ich allerdings eher als unrealistisch an. Eine derartige Taktfolge dürfte für die neue direktere Strecke Hamburg - Elmshorn - Itzehoe zu erwarten sein. Ein solcher Takt über Glückstadt würde sicherlich bezüglich der Fahrgastzahlen alsbald auf den Prüftstand kommen.
Entgegen der Planungsversprechungen ist es doch eher fraglich, ob sich ein wirtschaftlicher Betrieb der aus der Marschbahn herausgelösten Strecke über Glückstadt, mit nur 4 Ortschaften (Bewohner der Orte ohne deren Umgebung: ca. 16.000), dauerhaft aufrechterhalten lässt. Nach der Euphorie über den Halbstundentakt ist auf Grund der Fahrgastzahlen eine Ausdünnung des Taktes nicht auszuschließen. Schlechte, langsame Verbindungen führen zur aber zur weiteren Unattraktivität und weiter zurückgehende Fahrgastzahlen. Daher ist das Wars-Case-Szenario nicht zuverwerfen, dass die Strecke auf Grund der hohen Kosten für den Bahnbetrieb als unwirtschaftlich eingestuft und eingestellt wird. Dieses könnte letztlich dazu führen, dass es zukünftig nur noch eine Busverbindung (natürlich mit Wasserstoff- oder Elektroantrieb) von Glückstadt und Herzhorn zum vielleicht neuen Bahnhof Horst gibt.
Es ist schon befremdlich, dass eine Batteriefabrik in Heide eine seit Eröffnung der Marschbahn 1845 bestehende Bahnverbindung Glückstadts in die Bedeutungslosigkeit führt, wenn nicht sogar deren Ende einläutet. Eine Randbemerkung: Bis 1890 war Glückstadt Sitz der Marschbahngesellschaft!.
Für Glückstadt und die Region, die sich durch die Trennung der Elbe von Niedersachsen ohnehin in einer Art von Randlage befinden, ist die Lage an einer Hauptbahnstrecke bedeutend. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Verlegung der Marschbahn sich sowohl auf die Qualität als Wohnort, als auch als Wirtschaftsstandort negativ auswirken werden. Glückstadt, das sich gerne Metropolregion nennt, wird durch die zukünftige Lage an einer Nebenstrecke eher von der Metropole Hamburg entkoppelt als verbunden. Hieran dürfte auch die jetzige Zugehörigkeit zum HVV nicht viel ändern.
Aber diese Entwicklung war absehbar. Man hat sich vom Fernverkehr abkoppeln lassen. Die neuen Bahnsteige wurden zu kurz ausgeführt. Die Papierfabrik Steinbeis hat ihren Transport von der Schiene auf die Straße verlegt. Glückstadt entwickelte sich vom Bahnhof zu einem einfachen Haltepunkt. Nun wird der Bogen in der Streckenführung über Glückstadt, der ohnehin schon länger einigen Leuten ein Dorn im Auge war, auf Druck eines Unternehmens endlich beseitigt. Das von Wirtschaftsminister Madsen betonte gute Signal für die Bewohner und Wirtschaft an der Westküste dürfte für die Region Glückstadt alles andere als gut sein.
Wenn Glückstadt sich nicht an den gepriesenen Boom von Projekten an der Westküste beteiligt und dabei seine Vorteile der Elblage, von Hafenanlagen, Bahnanschluss und Flächen im südlichen Hafenbereich zur Ansiedlung von Unternehmen ausspielt, droht der Ort, die Region, aus den Blick der Landespolitik zu entschwinden. Während man für die Westküste mit der Verlegung der Marschbahn in den ÖPNV investiert, ist für die Elbregion um Glückstadt das Gegenteil zu befürchten.
Anderseits ist es aber schön zu sehen, dass 10 Minuten Fahrzeitverkürzung ein mehrere hundet Millionen Euro kostendes Projekt rechtfertigt.
An
dieser Stelle möchte ich anmerken, dass es auf der Marschbahn einen weiteren fahrzeitverlängernden Bogen gibt. Zwischen der Hochbrücke Hochdonn (Burg) und Heide macht die Strecke einen
großen Umweg nach St. Michelisdonn. Über eine direkte Verbindung von Burg nach Meldorf, oder gar direkt nach Heide, ließen sich sicherlich noch einige weitere kostbare Minuten
einsparen. Auch mit einem Ersatzbau (140 km/h) für die über 100 Jahre alte und mit nur 80 km/h befahrbaren Hochbrücke Hochdonn ließe sich die Fahrzeit weiter verkürzen. Wie man sieht, bietet die
Marschbahn neben der Elektrifizierung noch einiges an Potenzial für die Planer.
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