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Panzerhaubitze 2000 für die Ukraine


Meinung

Gastbeitrag

Christina Wagner

Panzerhaubitze 2000 der Bundeswehr
155 mm Panzerhaubitze 2000 seit 1998 bei der Bundeswehr im Einsatz. Sie zählt zu den weltweit leistungsfähigsten Haubitzen.

 

Nach Medienmeldung soll die Bundesregierung prüfen, ob eine Lieferung von Panzerhaubitzen 2000 an die Ukraine aus dem aktiven Bestand der Bundeswehr möglich ist. Die Bundeswehr verfügt über 119 Panzerhaubitzen, von denen nach den Meldungen nur um die 40 volleinsatzfähig sein sollen. Sollten diese Zahlen stimmen, spricht es für die katastrophale Situation bei der Instandsetzung der Bundeswehr. Zu meiner Dienstzeit bei der Artillerie, als die Instandhaltung noch bei der Truppe lag, gab es solche Ausfallquoten nicht. Dies erweckt den Eindruck, dass mit der Übergabe der Instandsetzung und Wartung beim Heer an die Heeresinstandsetzungslogistik GmbH ab 2005 einiges schiefgelaufen ist. Dieses zeigt eine der vielschichten strukturellen Schwachstellen der Bundeswehr.

 

Anfang April hatte Krauss-Maffei Wegmann (KMW) der Ukraine die Lieferung von 100 Panzerhaubitzen 2000 aus den Beständen der Bundeswehr angeboten. Neue Geschütze volle KMW nach 30 Monaten liefern. Dieses hätte die Artillerie des Heeres praktisch mindestens für 2 ½ Jahre handlungsunfähig gemacht. Zu dieser Zeit kam eine Lieferung von derartigen Waffensystemen aus Sicht der Bundesregierung jedoch nicht in Betracht. Nachdem man sich nun doch für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine entschieden hat, scheint auch die Panzerhaubitze 2000 wieder ein Thema zu sein.

 

Nachdem sich die Niederlande und auch Italien für eine Lieferung von Panzerhaubitzen 2000 aus ihren Beständen entschieden haben, wuchs auch der Druck auf Deutschland. Zunächst wollte man diese Lieferungen nur mit Ausbildung und Munition unterstützen, doch nun gibt es auch Überlegungen entsprechende Haubitzen aus dem Bestand der Bundeswehr zu liefern.

 

Die Panzerhaubitze 2000 gilt als eines der leistungsfähigsten Systeme ihrer Art. Neben dem Leopard II (ca. 300 Panzer) und dem Raketenwerfer MARS (um die 21 Werfer, maximal 40) gehört die Haubitze zu den Hauptwaffensystemen des Heeres. Dieses muss bei der Entscheidung berücksichtigt werden.

 

Dieser Umstand sorgte auch schon bei der niederländischen Armee für Kritik. Nachdem man sich in Den Haag für die Lieferung entschieden hatte, kam aus den Reihen des Militärs Zweifel auf. Die niederländische Armee verfügt über 24 aktive und 29 ältere, im Depot eingelagerte Panzerhaubitzen 2000. Durch eine Lieferung mehrerer Haubitzen sieht man als signifikante Schwächung der Einsatzbereitschaft der Armee an. Zudem stünde diese Schwächung im Gegensatz zu der politisch geforderten Stärkung der Armee.

 

Ähnlich ist die Situation bei der Bundeswehr zu betrachten. Nachdem die Bundeswehr seit den 1990er Jahren einem Schrumpfungsprozess unterzogen wurde und in den letzten Jahren, man kann schon Jahrzehnte sagen, kaputtgespart wurde, steht sie heute allenfalls bedingt Einsatzfähig da. Wie es der Inspekteur des Heeres am 24. Februar formulierte, die Bundeswehr steht mehr oder weniger blank da.

 

Wenn man die Bestandszahlen der Hauptwaffensysteme rechnerisch auf die 16 Bundesländer verteilt, wird die Situation deutlicher. Bei gleichmäßiger Verteilung würde sich der Bestand der Bundeswehr je Bundesland auf 19 Kampfpanzer, 7,5 Panzerhaubitzen und 2,5 MARS Raketenwerfer verteilen. Dieses zeigt deutlich, die Landesverteidigung spielte in der Vergangenheit bestenfalls noch eine sekundäre Rolle.

 

So sehr man auch richtigerweise bestrebt ist die Ukraine zu unterstützen, die Bundeswehr ist alles andere als ein „Supermarkt“ für Waffensysteme, insbesondere für Schwere. Die „Regale“ sind schlicht weg leer. Daher sollte die Politik nicht in einen Aktionismus verfallen, sondern klar die Lage erklären. Die Bundeswehr ist durch die verfehlte Politik, die glaubte die Landesverteidigung könnte vernachlässigt werden, in einem mehr oder weniger desolaten Zustand. Spätestens ab der Umstellung ab 2011 zu einer Stabilisierungsarmee für weltweite Kriseneinätze standen vor allem leichte bis mittlere Systeme im Mittelpunkt. Schwere Waffensysteme verloren schlichtweg an Bedeutung. Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine wurde die Bundeswehr kalt erwischt und von den Fehlentscheidungen der Vergangenheit eingeholt.

 

Am 26. Februar 2022 erklärte Bundeskanzler Scholz die Zeitenwende und das bei der Bundeswehr wieder die Landes- und Bündnisverteidigung im Mittelpunkt stehen wird. Zugleich wurde ein 100 Milliarden Euro umfassendes Sondervermögen für die Bundeswehr angekündigt.  Damit soll die Fähigkeit der Bundeswehr zur Landes- und Bündnisverteidigung wiederhergestellt werden. Allerdings rückt man im Beschluss des Bundestages vom 27.04.2022 zur „Umfassenden Unterstützung der Ukraine“ vom Schwerpunkt Landesverteidigung zum Teil wieder ab. Hier wird nur gefordert, das mögliche Waffenlieferungen die Fähigkeiten zur Bündnisverteidigung nicht gefährden dürften. Die Fähigkeit zur Landesverteidigung, die wesentlich höhere Systemanforderungen beinhalten würde, wird in diesen Zusammenhang nicht aufgeführt. Hier wäre vielleicht eine Forderung aller USA, Lieferungen dürften die nationale Sicherheit, sprich Landesverteidigung, nicht gefährden, angebrachter gewesen.

 

Gefordert wurde allerdings, dass durch die Lieferungen an die Ukraine entstehenden Ausrüstungsstücken schnellsten wieder ausgeglichen werden sollen. Schnell ist dabei relativ zu sehen. Durch die aufwendige Technologie der modernen Waffensysteme ist eine rasche Produktion wie in früheren Zeiten nicht mehr möglich. Wie schon angeführt, könnte KMW die ersten neuen Panzerhaubitzen 2000 erst in 30 Monaten liefern.

 

Im Zusammenhang mit der Panzerhaubitze 2000 sind manche Medienäußerungen aus meiner Sicht erschreckend. Zu äußeren, das 6 Panzerhaubitzen in Litauen stünden und die anderen bei der Bundeswehr nicht gebraucht würden, ist jenseits einer realistischen Betrachtung. Auch die von KMW angebotene Lieferung von 100 Panzerhaubitzen der Bundeswehr dürfte kaum sicherheitspolitisch vertretbar sein. Damit wäre das Heer der notwendigen Fähigkeiten im Bereich der Artillerie beraubt.

 

Vorrangig wäre aus meiner Sicht sicherzustellen, dass die Panzerhaubitzen, von den etwa 80 nicht einsatzfähig sein sollen, kurzfristig wieder einsatzbereit gestellt werden. Selbst unter dieser Voraussetzung wäre eine Abgabe in der Größenordnung  von allenfalls maximal 2 Batterien, 16 Panzerhaubitzen, vielleicht als realistisch anzusehen. Zu beachten bleibt jedoch, das dieses bis zu einem Ersatz durch die Industrie eine Schwächung Herres bei einem Hauptwaffensystem bedeuten würde.

 

Auch wenn die Ukraine moderne Waffen wünscht, bleibt die Frage, ob eine Bedienung und vor allem auch Wartung und Instandhaltung von technisch komplexen Systemen wie der Panzerhaubitze 2000 in einem Kurzlehrgang zu erlenen ist? Eine fehlende Beherrschung der aufwendigen Steuerungstechnik und automatischen Munitionszufuhr kann schon bei kleineren Fehlfunktionen zum Ausfall führen.

 

Da die Waffensysteme nicht in einem Manöver, sondern in einem brutalen Krieg eingesetzt werden, ist Vertrautheit mit dem System durchaus relevant anzusehen. Fehlt diese Sicherheit bei den Besatzungen kommt es schnell zur Verunsicherung, was bestenfalls nur die Effektivität reduziert.

 

Wenn auch der Wunsch der Ukraine nach modernsten Waffen verständlich ist, wären einfachere Waffensysteme womöglich zweckmäßiger. Leider verfügt die Bundeswehr seit 2002 nicht mehr über die  215 beschafften  Feldhaubitzen FH-155 (FH 70). Die Bedienung wäre einfacher gewesen und auch die komplexe Technik des Panzers würde entfallen. Als Zugfahrzeug hätte jeder LKW oder Traktor dienen können. Von daher wäre es zu überdenken, ob man nicht einen Ringtausch mit anderen Nato-Ländern durchführt. Panzerhaubitzen 2000 gegen die Lieferung von 155 mm Feldhaubitzen. Diese wären wesentlich leichter zu bedienen und wesentlich früher für die ukrainische Armee einsetzbar. Alternativ käme auch ein Tausch gegen die bei einigen Natomitgliedern noch im Dienst befindliche 155 mm Panzerhaubitze M 109. Von diesen Geschützen verfügte die Bundeswehr über 586 Stück, die letzten wurden jedoch 2008 ausgemustert. Bei diesen älteren Panzerhaubitzen wäre eine Ausbildung einfacher als auf einer Panzerhaubitze 2000.

 

Letztlich bleibt zu hoffen, dass die Politik bei ihren Entscheidungen auch die Möglichkeiten und erforderlichen Fähigkeiten der Bundeswehr im Blick behält. Die Ukraine benötigt im Kampf gegen Russlands Angriff rasche Lösungen und Hilfen, die vor allem eines sind, schnell und effektiv einsetzbar.

 


Feldhaubitze FH-155/FH 70 der Bundeswehr
Feldhaubitze FH-155 war bis 2002 bei der Bundeswehr im Einsatz
Panzerhaubitze M-109
155 mm Panzerhaubitze M 109 unter anderem noch bei der US-Army eingesetzt

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Kommentare: 2
  • #1

    Daniel R. (Donnerstag, 06 Juli 2023 02:36)

    Guten Morgen, auch in diesem Beitrag :^)

    Im Nachgang fand ich die Entscheidungen unserer Bundesregierung gewissermaßen nachvllziehbar.
    Die Lieferung solch moderner und Komplexer Waffensysteme muss gut bedacht und vorbereitet sein.
    Begonnen mit der Munitions- und Ersatzteilversorgung. Ich versuche mich an der Stelle etwas kurz zu fassen :^)
    Die Panzerhaubitze ist laut meiner Auffassung das perfekte Mittel zur Wahl in der Bodenunterstützung. Laut meinem Kenntnisstand werden innerhalb von zehn Sekunden drei Schuss abgefeuert, danach muss sofort ein Stellungswechsel erfolgen. Für ganu so ein Konzept ist die Panzerhaubitze entwickelt worden. Daher z.B. der Autolader und die Chassis-Konstruktion ohne Erdsporn. Man wäre zu schnell aufgeklärt. Nachteil an diesem System: Ein "Dauerfeuer" würden einige Komponenten nicht überleben, wie wir auch gesehen haben.
    Ich denke Zusammengefasst hing das Hadern bei der Lieferung an drei Punkten fest: Die Ausbildung, die Nachschubversorgung, aber auch vorsicht, da die Erbeutung dieses Waffensystems verheerend wäre!
    Bei all dem was ich geschrieben habe, möchte ich aber auch betonen, dass ich mich selber eher als belesener Laie verstehe. Ich verfüge nicht über fungiertes Wissen.
    Viele Grüße aus Schleiden, NRW

  • #2

    Christina Wagner (Donnerstag, 06 Juli 2023 15:06)

    Hallo, da kann ich Dir im Großen und Ganzen zustimmen, Daniel.

    Die Lieferung eines komplexen Waffensystems wie diePanzerhaubitze 2000 erfordert eine gewisse Vorbereitung und Schulung. Ohne eine entsprechende Instandhaltung und Ersatzteilversorgung macht ein derartiges Waffensystem kaum Sinn. Unberechenbar wie Putin sich zeigt, spielten sicherlich auch Bedenken über seine Reaktion eine gewisse Rolle.
    Die Panzerhaubitze zählt zu den modernsten und leistungsfähigsten Atrilleriesystemen. Die von Dir beschriebenen drei Schuss in 10 Sekunden sind eine Besonderheit des Geschützes. Die drei Schuss können durch Veränderung der jeweiligen Flugbahnen so abgefeuert werden, das sie gleichzeitig im Ziel einschlagen.
    In der Regel kann man aber länger als 10 Sekunden in einer Feuerstellung verbleiben. Aber nach wenigen Minuten sollte sie gewechselt werden. Wie Du richtig beschrieben hast, ist eine Feuerstellung mit heutigen Mitteln realtiv schnell aufgeklärt und mit gegnerischen Feuer zu rechnen. Daher kann die Panzerhaubitze 2000 sehr schnell ihre Postion und Feuerdaten bestimmen und nach dem Feuerkampf schnell abrücken und von einer anderen Stellung den Feuerkampf weiterführen.
    Das für die schnelle Kadenz des Geschützes notwendige automatische Ladesystem hat sich zugleich als Schwachstelle gezeigt. Das komplexe System kommt bei hohen Belastungen an seine Grenzen. Soweit mir bekannt, soll es für etwa 100 Schuß/Tag ausgelegt sein. Wie sich bei den in der Urkaine eingesetzten Geschützen zeigt, kann in einem intensiven Feuerkampf diese Zahl schnell überschritten werden, was zu Störungen oder Ausfällen des Geschützes führen kann. Hier halte ich Verbesserungenzur Erreichnung einer höhe Standfestigkeit des Ladesystems für erforderlich.
    Gruß Christina