Beitrag und Fotos von

Christina Wagner

Glückstadt im Sommer 2002: Der vor allem wegen des durch Starkregen entstandenen Elbhochwassers im August in Erinnerung gebliebene Sommer zeigte sich bereits im Juli in Schleswig-Holstein
von seiner nassen Seite. Am 17. und 18. Juli kam es zu massiven Dauerregen. In weiten Teilen des Landes, so auch im Raum Glückstadt und in der Kremper Marsch, hieß es „Land unter”. Dieses Mal
waren nicht die Elbsturmfluten, sondern die angesammelten Regenmassen im Binnenland das Problem.
Das Rhingebiet in der Krempermarsch umfasst eine Fläche von rund 11.000 Hektar. Zur Entwässerung der Marschlandschaft ist das Gebiet mit Gräben und Wettern durchzogen. Diese sind mit dem Rhin
verbunden, der sich bei Glückstadt in Herzhorner Rhin und Kremper Rhin teilt, sowie mit dem Schwarzwasser. Über das Rhinsystem werden 7.800 Hektar entwässert, über das Schwarzwasser sind es 3.200
Hektar. Insgesamt ist das Gebiet mit 184 km Wasserflächen und 35 km Rohrleitungen durchzogen. Neben dem Hauptschöpfwerk Glückstadt gibt es im Rhingebiet neun weitere Binnen-Schöpfwerke.
Im Bereich des Glückstädter Außenhafens münden der Rhin und das Schwarzwasser in die Elbe. Rhin und Schwarzwasser sind getrennte Systeme, die im Mündungsbereich durch den Kajedeich
voneinander getrennt sind. Das Schwarzwassersystem dient der Entwässerung höher gelegener Gebiete und kommt im Normalfall ohne Pumpen aus. Über eine im Deich eingebaute Schleuse gelangt das
Wasser in die Elbe. Der Rhin dient auch zur Entwässerung von Gebieten unterhalb von Normal Null. Daher verfügt der Rhin in Glückstadt neben zwei Schleusen auch über ein Pumpen-Schöpfwerk. Das
1951 fertiggestellte Hauptschöpfwerk verfügte 2002 über drei Pumpen mit einer Leistung von 13,4 m³/s, was einer maximalen Leistung von 48.240 m³/h entspricht. Um in Extremsituationen auch Wasser
aus dem Schwarzwasser abpumpen zu können, verfügt der Kajedeich über eine Durchlassschleuse. Wie bei dem Starkregenereignis im Oktober 1998 funktionierte diese auch. Im diesem Sommer sollte es
jedoch anders verlaufen.
Da in den Sommermonaten normalerweise geringere Niederschlagsmengen anfallen und die Wasserläufe von den Landwirten eher zur Bewässerung der Felder genutzt werden, ist der Einsatz der
Schöpfwerkpumpen nur selten erforderlich. Daher werden die Wartungsarbeiten, wie auch im Juli 2002, in die Sommermonate gelegt. Neben der Erneuerung der Elektrik wurde eine der Hauptpumpen zur
Überholung ausgebaut. Damit war das Schöpfwerk alles andere als einsatzbereit. Doch im Sommer 2002 mit seinen Starkregenereignissen wie dem Elbehochwasser im August sollte es anders kommen.
Im Juli 2002 zogen dunkle Wolken über Schleswig-Holstein auf. Nach ohnehin regnerischen Tagen traf das Tiefdruckgebiet „Claudia” das Land. Am 17. und 18. Juli entwickelte es sich zu einem Unwetter mit anhaltendem Starkregen. Gebietsweise prasselten bis zu 200 mm Regen vom Himmel herab. Die Wassermassen konnten von den Feldern nicht aufgenommen werden und strömten in die Entwässerungsgräben. Dadurch stiegen die Wasserstände in Rhin und Schwarzwasser an. Da das Wasser nicht mehr abgeführt werden konnte, hieß es in der Folge auf den Feldern „Land unter“. Laut SHZ standen mehr als 1.000 Hektar unter Wasser.




Über die schon erwähnten drei Schleusen in Glückstadt wurde Wasser aus Rhin und Schwarzwasser in die Elbe abgelassen. Diese funktioniert jedoch nur bei ablaufendem Wasser und niedrigen Pegelständen der Elbe.



Doch bereits zum Wochenende gab es einen erneuten Wetterumschwung. Der durch die starken Niederschläge angestiegene Pegel der Elbe wurde durch den heftigen Westwind zusätzlich weiter nach oben getrieben. Der hohe Wasserstand und der Wind drückten das Elbwasser gegen das Schöpfwerk. Dadurch wurde der Einsatz der Schleusen unmöglich.
THW Einsatz am Schöpfwerk
Zur Bekämpfung der durch das Tiefdruckgebiet „Claudia” verursachten Überflutungen im Land befanden sich ab dem 18. Juli rund 400 Einsatzkräfte aus 27 THW-Ortsverbänden in Schleswig-Holstein im Einsatz. Aufgrund der anhaltend angespannten Lage, insbesondere im Raum Grönland, wurde das THW zur Unterstützung des Schöpfwerks nach Glückstadt gerufen. Am 20. Juli traf das THW mit einem Großaufgebot in Glückstadt ein. Mit allen verfügbaren Pumpentypen – von Tauchpumpen mit einer Förderleistung von 1.000 bis 3.000 l/min bis hin zu leistungsfähigen Großpumpen mit 5.000 l/min – wurde Wasser aus Rhin und Schwarzwasser in die Elbe befördert. Laut THW erbrachten die eingesetzten Pumpen eine Leistung von 64.400 l/min. Dies entspricht einer Wassermenge von 3.864 m³/h.






















Niederländische Hochleistungspumpen
Trotz des unermüdlichen Einsatzes der THW Helfer konnte die Lage aufgrund der riesigen Wassermengen nicht entspannt werden. Hierzu bedurfte es schwerem Gerät, das dem THW jedoch nicht zur Verfügung stand. Aus den Niederlanden wurden drei mobile Hochleistungspumpen angemietet. Die beiden zuerst eingetroffenen Dieselpumpen wurden von der Firma Van Heck B.V. aus Noordwolde geliefert. Die beiden Pumpen mit einer Leistung von jeweils 5.000 m³/h wurden neben dem Schöpfwerk zur Entwässerung des Rhins eingesetzt. Mit deren Inbetriebnahme konnte das THW mit dem Abzug seiner Einsatzkräfte beginnen. Einen Tag später traf eine weitere Diesel-Hochleistungspumpe aus den Niederlanden ein. Die vom Pumpenverleiher Buitenkamp B.V. aus Zuidbroek gelieferte Pumpe wurde im Bereich des Schwarzwassers eingesetzt. Durch die Inbetriebnahme der drei Pumpen war es möglich, bis zu 16.000 m³/h (266.000 l/min) Wasser aus der Marsch in die Elbe zu befördern. Durch die hohe Förderleistung der Pumpen entspannte sich die Lage in den folgenden Tagen.
Pumpen im Bereich Rhin










Hochleistungspumpe fürs Schwarzwasser















Kraneinsatz:
Für den Aufbau der holländischen Pumpen wurde ein Teleskop-Kranwagen der Firma Kühl Elmshorn angemietet. Der Kran vom Typ Liebherr LTM 1250-1 verfügt bei einer Reichweite von drei Metern über eine Tragfähigkeit von 250 Tonnen. Sein sechsteiliger Teleskopausleger ist 72 m lang. Bei maximaler Reichweite liegt die Tragfähigkeit des Krans noch bei etwa vier Tonnen. Der Kran wurde auch für den Abbau der THW-Pumpen genutzt.







THW-Fahrzeuge
Anhand der Fahrzeuge konnte man erkennen, aus welchen THW-Ortsverbänden die Einsatzkräfte kamen. Die nachfolgenden Fotos stehen stellvertretend für die Hilfskräft die in diesen Tagen im Juli 2002 gegen die Wassermassen kämpften.














Umweltschäden:
Während des massiven Pumpeneinsatzes zeigten sich in den folgenden Tagen weitere Folgen des Starkregens. Im Bereich des Rhins konnte eine Verunreinigung des Wassers beobachtet werden. Diese sowie das wahrscheinlich sauerstoffarme Wasser führten dazu, dass viele Fische tot an der Oberfläche trieben. Viele Fische begaben sich schutzsuchend in die Uferbereiche.



Die genaue Schadenssumme ist nicht bekannt. Neben den Schäden an Gebäuden und Straßen gab es auch in der Landwirtschaft erhebliche Schäden. Nach Angaben der SHZ haben die Gemüsebauern in den Anbaugebieten um Glückstadt durch die Überschwemmungen etwa 40 Millionen Gemüsepflanzen verloren.
Maßnahmen:
Aufgrund der Lehren aus dieser Überflutung wurde die Pumpenleistung im Schöpfwerk Glückstadt von damals 13 m³ pro Sekunde auf rund 18 m³ pro Sekunde erhöht. Im Bereich Altendeich wurde zudem im Jahr 2003 ein Entlastungswehr zwischen Rhin und Schwarzwasser errichtet.
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