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Bundeswehr erhält CH-47F Chinook


Gastbeitrag:

Christina Wagner

Boing CH-47F Chinook der Bundeswehr
Die Luftwaffe wird 60 Boing CH-47F als Ersatz für den Sikorsky CH-53G erhalten. Die Art-Impression zeigt den Hubschrauber mit Luftbetankungssonde.

Nach der Vorankündigung im Mai ist die jetzige Entscheidung wenig überraschend. Die Bundeswehr, hier die Luftwaffe, erhält 60 CH-47F Chinook Hubschrauber als Ersatz für den inzwischen 40 Jahre im Dienst befindlichen Sikorsky CH-53G.

 

Gegen die Beschaffung des Sikorsky CH-53K King Stallion, der als leistungsfähigster Hubschrauber auf dem westlichen Markt gilt, sprach wohl zunächst der höhere Preis. Dieses führte schon 2020 zu einer Revidierung einer geplanten Beschaffung. Wie schon im Vergleich CH-53K/CH-47F ausgeführt, hätten man zum selben Preis nur etwa 40 King Stallion beschaffen können.

 

Als weiteres, offenbar gewichtiges Argument für den Chinook, ist dessen Einsatz bei anderen Natomitgliedern. Er wird in den USA und Kanada, sowie in Europa von Großbritannien, Spanien, Niederlanden, Spanien, Italien, Griechenland und der Türkei eingesetzt. Der CH-53K kommt dagegen innerhalb der Nato nur in den USA zum Einsatz. Mit dem Blick auf die Verbündeten wollte man einen deutschen „Sonderweg“ vermeiden. Damit soll auf eine hohe Systemkompatibilität mit den Nato-Partnern gesetzt werden.  Dieses erscheint zunächst logisch, lässt aber anderseits die breit aufgestellten Fähigkeiten innerhalb des Bündnisses außer Acht.

 

Schon mit dem Sikorsky CH-53G ging die Bundeswehr Ende der 60er Jahre einen "Sonderweg". Mit dem damaligen Beschluss, den seit Gründung der Bundeswehr eingesetzten Vorgänger des Chinook-Hubschraubers, den H-21C Workhorse, durch den Sikorsky zu ersetzen, beschritt man in Europa einen Alleingang. Andere Länder entschieden sich für den Chinook als Transporthubschrauber. Aus wirtschaftlicher Sicht bestand damals der Vorteil, dass Lizenzen für den Bau erworben werden konnten. So wurde zum Beispiel der Starfighter F-104G in Deutschland, Niederlanden und Belgien gefertigt.  Auch der Sikorsky CH-53G wurde federführend bei Fokker in Zusammenarbeit mit mehreren deutschen Unternehmen gefertigt.

 

Auch bei der Entscheidung für den Chinook dürften wieder wirtschaftliche Interessen eine Rolle gespielt haben. Sowohl Boing als auch Sikorsky bildeten Industrie-Teams mit europäischen Unternehmen. Für die Beschaffung, Wartung, Instandhaltung und Weiterentwicklung für den Sikorsky CH-53K wurde ein deutsches Konsortium unter der Führung der Rheinmetall Group aufgebaut. Boing konnte für sein Industrieteam u. a. Unternehmen wie Rolls-Royce Deutschland und die lange mit der Luftwaffe zusammenarbeitende Lufthansa-Technik gewinnen. Im März 2022 konnte mit Airbus-Helicopters  ein weiterer bedeutender europäischer Partner gewonnen werden.  Augenscheinlich konnte sich Boing  erfolgreicher als Sikorsky aufstellen.

 

Ob nun Systemkompatibilität oder wirtschaftliche Betrachtungen, eines scheint fast wie eine Randbedingung, die Fähigkeiten. Beim Verteidigungsministerium heißt es, dass mit dem CH-47F eine höhere Stückzahl und Flexibilität bei Erfüllung aller wesentlichen Nutzungsanforderungen erreicht werden. "Wesentlich" lässt vermuten, dass es auch durchaus Einschränkungen gibt.

 

Ein Defizit des aktuellen CH-47F ist fehlende Befähigung zur Luftbetankung. Während diese beim CH-53K zur Standardausrüstung gehört, wird Boing diese gemäß der Forderungen der Bundeswehr nachrüsten müssen. Allerdings dürfte es hier keine größeren Probleme geben, da man auf das Betankungssystem des MH-47G zurückgreifen kann.

 

Im Rahmen der Entscheidung hervorzuheben, dass der CH-47F besser für Staublandungen, die in Afrika notwendig seien, geeignet sei, klingt, als hätte man sich von der Bundeswehr als weltweite Stabilisierungsarmee noch nicht gelöst. Im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung, die nach Erklärungen im Februar wieder die Schwerpunkte der Bundeswehr bilden sollen, spielen Wüsteneinsätze wohl doch eine mehr untergeordnete Rolle.

 

Neben seiner Leistungsfähigkeit ist der CH-53K auch der neuere Hubschrauber.  Bei einer geschätzten Einsatzzeit von 40 Jahren (ab 2025) ist das System CH-47F (Einführung 2006) nahezu 59 Jahre alt. Der Sikorsky CH-53K (Einführung 2018) 47 Jahre. Als noch relativ neues System ist  er noch nicht wie der CH-47F derart einsatzerprobt und verfügt womöglich nicht über dessen technischen Ausgereiftheit. Wobei letzteres auch als Potenzial gesehen werden kann.  Demgegenüber wirft der CH-47F als älteres System die Frage nach  den Zukunftspotenzialen auf und ob eine Einsatzzeit von 40+ Jahren realistisch ist? 

 

Sicherlich sind Sonderwege bei der Beschaffung, insbesondere bei der Entwicklung neuer Systeme, zu hinterfragen. Bei beiden Hubschraubertypen handelt es sich jedoch um marktverfügbare Systeme. Wenn die Bundeswehr, wie politisch erklärt, wieder eine Führungsrolle in Europa einnehmen soll, sind von den Verbündeten abweichende Beschaffungen durchaus nicht negativ zu sehen. Bei allem Denken an die Vorteile durch Systemgleichheit, decken unterschiedliche Systeme auch ein breiteres Einsatzspektrum ab.

 

Nach all den Jahren des Sparkurses bei der Bundeswehr wäre ein vorrangiger Blick auf die Fähigkeiten und weniger auf die Kosten und die Wirtschaft angezeigt gewesen. Mit der getroffenen Entscheidung für den CH-47F Chinook wird man zwar eine gewisse Systemgleichheit unter den NATO-Truppen  erreichen, jedoch zugleich eine Chance vergeben:  Innerhalb der europäischen Nato-Staaten und bei der Bundeswehr die Fähigkeiten durch den Einsatz des derzeit leistungsstärksten westlichen Transporthubschrauber zu erweitern. Ist somit der Chinook eine Entscheidung für die Bundeswehr und Europa?

 

 

 

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Vergleich CH-53K / CH-47F


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