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Zeiten, als Neubauten für die Marine noch funktionierten


Beitrag:

Karl-Heinz Brüggmann

S-60 Kranich Schnellboot Klasse 148
S-60 Kranich wurde als letztes Boot der Klasse 148 in Dienst gestellt. Die Technik des neuen Bootes funktionierte problemlos.

Das neue Boot

 

Nachdem ich als Zeitsoldat der Fachrichtung 42 (Motorentechnik) die Schnellboote Elster,Tiger und Wolf nach mehreren Fahrten mit außer Dienst gestellt hatte, kam ich 1975 als Obergefreiter zur Besatzung des Schnellbootes LÖWE, was den KRANICH beim 5.SG ersetzt hatte. Wir sollten unter Kptl. Munzer das neue Boot S60, das bei der Lürsen Werft in Bremen-Vegesack gebaut wurde und das am Ausrüstungskai lag, übernehmen. Es war das letzte neue Boot der 148er Klasse.

 

Untergebracht in der Kaserne Bremen-Lesum, ging es jeden Morgen mit dem Bus zur Werft, wo wir den Tag über das Boot kennen lernten, was bei der Ausrüstung auch in den Maschinenräumen sehr lehrreich war. Mittagessen gab es in der Kantine der Werft. In der Zeit bekam ich dann auch den Auftrag das Bootswappen und den vorläufigen Bootsstempel für S60 zu entwerfen. Nach etwa 2 Wochen bekamen wir einen speziellen Ausweis, der uns berechtigte, an der ersten Werftprobefahrt in den Gewässern vor Helgoland teilzunehmen.

 

Es war ein erhebender Augenblick, wie die MTU Motoren gestartet wurden. Nachdem die Standprobe erfolgreich verlief, löste sich das Boot zum ersten Mal selbstständig von der Pier und glitt langsam auf die Weser in Richtung Nordsee. Da die Werftleute das Boot fuhren, waren wir nur zur Beobachtung da, um den Umgang mit der Technik zu lernen.

 

Das Wetter war gut, der Seegang war niedrig. Die Fahrt verlief störungsfrei. Helgoland am Horizont in Sichtweite, begann dann die eigentliche Testfahrt. Mehrmals wurde das Boot auf einer gewissen Strecke auf Höchstgeschwindigkeit gebracht. Unter anderem wurde auch die Drehzahlbegrenzung unwirksam gemacht und das Boot auch mit verrückten Fahrtmanövern an seine äußersten Grenzen gebracht.

 

Da ich der Meinung war, dass man bei so einem Boot  alles können muss, schwirrte ich nach den Maschinentests überall herum, von der Brücke bis zur Rudermaschine. Nachdem die Tests erfolgreich abgeschlossen wurden, gab es an Deck Kaffee und Kuchen.

 

Wie dann die letzten Arbeiten in der Werft abgeschlossen waren, gab es noch eine weitere Werftprobefahrt, die wie die Erste gut verlief. Danach wurde das Boot mit Flaggenwechsel offizell der Bundesmarine übergeben.

 

Einen Tag später räumten wir unsere Unterbringung in Lesum. Es wurde seeklar gemacht. Für den ersten Trip nach Frankreich, wo die Waffen- und Ortungstechnik eingebaut werden sollten. U.a. bekamen wir dort unser vorderes Geschütz, eine Oto Melara 76mm und die 4 Raketenstarter MM 38 EXOCET.

 

Das Ablegemanöver fand für das letzte Boot der Klasse mit großer Verabschiedung statt. Dann ging es bei verhältnismäßig ruhiger See in die Nordsee und den Ärmelkanal. Neu auf dem Boot war, dass sich Unteroffiziere und Mannschaften der Maschine zwischen fahren an den Fahrhebeln auf der Brücke und  Maschinenwache im Maschinenraum ablösten. So übernahm ich zusammen mit dem Unteroffizier Zöllner dann im Ärmelkanal das Fahren auf der Brücke.

 

Ausfahrt Ärmelkanal war es fast windstill, aber es gab eine gewaltige Atlantikdünung. Bei jeder Welle spürte man, wie das Boot bergauf fahren musste.

 

Unser erster Anlaufhafen war Cherbourg, wo wir mit der S59 zusammentrafen. Einen Tag später ging es nach Lorient. Hier wurden wir zusammen mit S59 in einem gewaltigen Trockendock, das von den Großkampfschiffen aus dem 2. Weltkrieg stammte, eingedockt. Es sah schon ungewöhnlich aus, wie die beiden Boote, mit langen Baumstämmen nach beiden Seiten abgestützt, fast verloren in dem riesigen Dock lagen. Untergebracht waren wir in der Kaserne auf dem Gelände, wo wir in der kantine auch unsere Mahlzeiten einnahmen.

 

Etwas Sorgen bereitete unseren Vorgesetzten, dass es bei den Malzeiten der französischen Marine auch Wein gab.

 

Später machten wir dann mehrere Probe- und Übungsfahrten. Da liefen wir dann auch den Hafen La Rochelle an. Nun stand noch der Geburtstag unseres Kommandanten auf dem Plan. Alle aus dem Mannschaftsdeck legten Geld zusammen und ich bekam die Aufgabe, ein Ölgemälde des Bootes zu malen. Das Material wurde in Lorient gekauft und ich führte meine Arbeit auf der Brücke aus, wo sich der Kommandant dann „anmelden“ musste.

 

Es war eine schöne Zeit in Frankreich, Anfang August ging sie zu Ende Und am 5. Verließen wir Lorient mit Heinmatkurs.

 

Auf der Fahrt an der Küste Frankreichs wären wir noch fast in ein Fischernetz geraten. Zum Glück war ich auf der Brücke und erkannte die Netzboje auf Backbordseite, was ich dann auch lauthals kund tat. Sofort kam der Befehl alle Maschinen voll zurück. Und so kamen wir nur mit der vorderen Rumpfhälfte über das Netz.

 

Nach dem Ärmelkanal empfing uns eine raue Nordsee und das Boot lief wie ein Segelschiff immer  mit Schräglage nach Steuerbord an den Wellen entlang was den Kurs in einen Zickzackkurs verwandelte.

 

In der Nacht vor Helgoland besserte sich das Wetter und es wurde warm. Bei schönstem Wetter liefen wir früh morgens in Brunsbüttel in den Nord-Ostsee-Kanal ein. Da sollte sich das Geheimnis um die riesige Flasche und der großen Schüssel mit Knödeln im Maschinenraum lüften. Es sollte die legendäre Kanaltaufe für alle die zum ersten Mal durch den Kanal fuhren, geben. Dazu gehörte auch ich.  Wir Täuflinge mussten in Badehose auf dem Achterdeck antreten, wo Neptun und seine Mannen schon warteten. Da standen Pützen und Schrubber, das Schlauchboot hatte man mit Wasser gefüllt und Kaltreiniger dazu gegeben und ein Feuerlöschschlauch mit Spritze war ausgelegt. Zunächst wurde man mit dem Schrubber und viel schäumendem Wasser vom Schmutz der See gereinigt und mit dem Feuerlöschspritze abgespritzt., dann musste man mindestens einen sehr scharfen, trockenen Knödel essen. Danach wurde man im Schlauchboot untergetaucht bis man bereit war eine gewisse Menge an Bier auszugeben. Gereinigt und getauft begab man sich dann auf die Brücke wo man ein großes Glas des Getränkes aus der riesigen Flasche ( alle möglichen alkoholischen Getränke gemischt, auf Maschinenraum temperatur gebracht) auf Ex trinken musste.

 

Einer von den Decksmannschaften hatte sich verkrümelt und wurde vom Kommandanten über die Lautsprecheranlage für vogelfrei erklärt.

 

Am späten Nachmittag liefen wir dann, S59 voran, in den Stützpunkt Olpenitz ein. Das Anlegemanöver wurde von einer Musikkapelle begleitet, die zusammen mit einer ganzen Abordnung zum Empfang auf der Pier Aufstellung genommen hatte. So traten wir als letztes Boot der 148 Klasse in die Dienste des 5. Schnellbootgeschwaders ein.

 

 

Fazit:

 

Wenn man heute die Schwierigkeiten den neuen Einheiten, wie Korvetten und Fregatten bei der Bundesmarine hört und liest, fragt man sich unwillkürlich, wie das angehen kann? Ist man heute nicht mehr in der Lage anständige Technik zu bauen? Oder verlassen wir uns zu sehr auf die Computertechnik? Wahrscheinlich spielt es aber auch eine Rolle, dass immer die Kosten an erster Stelle stehen, auch wenn am Ende die Kosten für das Ergebnis viel zu hoch werden.

 

Eines ist noch sehr bemerkenswert. Im Zivilschiffbau muss die Werft bei verspäteter Ablieferung, oder nicht Erfüllung durch Mängel usw. Konventionalstrafe zahlen, oder gar das Schiff zurücknehmen. Bei der Bundesmarine geht es letztendlich zu Lasten des Steuerzahlers.

 

Damals mit den Schnellbooten der 148er Klasse hat es keine bemerkenswerten Schwierigkeiten gegeben. Mit unserem Boot S60 z.B. verliefen die Werftprobefahrten hervorragend. Die Fahrt nach Frankreich meisterte das Boot, obwohl noch nicht voll ausgerüstet, in der hohen Atlantikdünung ohne Beanstandungen. Die Testfahrten und Erprobungen der Feuerleittechnik und der Bewaffnung an Frankreichs Atlantikküste meisterte das Boot einwandfrei. Ein Tag machte ich als Ersatz eine Probefahrt bei erheblichen Seegang auf S59 mit. Auch dort funktionierte alles reibungslos.

 

Auf der Rückfahrt in Richtung Heimathafen liefen die zwei Boote auch durch eine sehr grobe See in der Nordsee ohne Schwierigkeiten.

 

Wie dann die unzähligen Übungs- und Manöverfahrten wie z.B. bei Windstärke 8 nach Frederikshavn in Dänemark absolviert wurden oder bei den zwei Wochen Manöver in Norwegen, zeigte sich das Schnellboot mit seiner schon damals umfangreichen Technik als sehr zuverlässig.

 

Selbst eine Fahrt mit Windböen von 8 bis 9 auf der Ostsee haben wir dank unseres guten Kommandanten und dem zuverlässigen Boot gut überstanden. Nur gab es einige Seekranke bei unserer Besatzung.

 

Was die Unterbringung betrifft, hatten wir gegenüber U-Booten und anderen Einheiten ja schon Luxus und wir hatten ja noch die Landunterkünfte im Stützpunkt. Ich bin gerne auf dem Boot gefahren. Wir waren nicht nur ein super Team, sondern eine richtige Familie, mit einem Kommandanten, für den wir durchs Feuer gegangen wären.

 

Zudem hatten wir keine nennenswerten Reparaturen und führten so die intervallmäßigen Wartungen durch. Immerhin hatten wir so eine Ausbildung und eine Fülle von Ersatzteilen, dass wir auch größere Reparaturen, wie Kolbenwechsel usw. hätten mit Bordmitteln ausführen können.

 

So problemlos die damalige Einführung funktionierte, scheinen heute Probleme bei neuen Schiffen üblich zu sein. Jahrelange Verspätungen bei der Auslieferungen und explodierende Kosten sind zur Normalität geworden.

 

 

 

  

 

       

 


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