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Sondervermögen, Heer bekommt den geringsten Anteil


Im Sondervermögen für die Bundeswehr fehlen schwere Systeme für das Heer, wie Kampfpanzer und Artillerisysteme.
Weitere Kampfpanzer wie der Leopard II, eine Aufstockung der Artillerie durch Panzerhaubitzen und Raketenwerfer, sowie ein neues Luftabwehrsystem für das Heer fehlen

Meinungsbeitrag:

Christina Wagner

Aus dem 100 Mrd. Euro Sondervermögen soll das Heer lediglich nur 16,5 Mrd. Euro erhalten. Den Großteil mit rund 41 Mrd. Euro fällt auf den Bereich Luftwaffe. Mit rund 20 Mrd. Euro sollen Beschaffungen bei der Marine finanziert werden. Die F-35 steht als Prestigeprojekt und teuerstes System der Bundeswehr  im Mittelpunkt der Berichterstattung. Die Teilstreitkräfte Heer und Marine finden dagegen nur geringe Beachtung. Aber gerade das Heer spielt für die effektive Landesverteidigung eine entscheidende Rolle.

 

Auf der Beschaffungsliste für das Heer stehen bisher der Ersatz des Schützenpanzers Marder und des Transportpanzers Fuchs. Wobei der Ersatz des Fuchs wegen fehlender Deckung der Kosten  aus dem Sondervermögen schon zurückgestellt werden musste. Daneben steht noch die Nachrüstung des Schützenpanzers Puma auf der Liste. Verwunderlich erscheint zunächst, dass es bisher kein Schweres Waffensystem auf die Beschaffungsliste geschafft hat. Zwar sollen Entwicklungsgelder in den deutsch-französischen Nachfolger des Kampfpanzers Leopard II fließen, doch dieser, derzeit mehr oder weniger nur  auf dem Papier existierende Panzer wird frühestens Mitte der 2030er zur Truppe kommen. Aktuell ist keine Absicht zur Aufstockung der Kampfpanzer durch Neubeschaffung zu erkennen. Obwohl verkündet wurde, eine Führungsrolle in Europa übernehmen zu wollen, scheinen hier insbesondere beim Heer die Beschaffungen zu fehlen. Länder wie Polen, die in den USA Abram Kampfpanzer bestellt haben, scheinen der deutschen Verteidigungspolitik voraus.

 

Im Bezug auf die Artillerie sind auch keine neuen Beschaffungen verlautbart worden. Obwohl durch Lieferungen an die Ukraine noch weiter reduziert, scheint auch hier eine Aufstockung nicht vorgesehen. Im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung sind die vier Artillerie Bataillone kaum als ausreichend zu bezeichnen. Aber eine Aufstockung durch neue Panzerhaubitzen 2000 und Raketenwerfer MARS/HIMARS ist nicht vorgesehen. Selbst die kleinen baltischen Staaten sind hier aktiver und planen die Beschaffung  bzw.  beschaffen HIMARS-Systeme. Da das Heer über das System MARS verfügt, wäre HIMARS durchaus als eine effektive Erweiterung bei der Raketenartillerie anzusehen.

 

Auch die fehlende Luftabwehr des Heeres scheint nicht berücksichtigt. Nachdem die Heeresflugabwehrtruppe 2012 aufgelöst wurde und die Systeme Gepard, Roland ausgemustert und Ozelot an die Luftwaffe abgegeben wurde, fehlt es dem Heer an Fähigkeiten der Luftverteidigung. Bis auf die Schulterwaffe Stinger ist das Heer derzeit faktisch schutzlos. Aber gerade der Krieg in der Ukraine zeigt die Bedeutung der Fähigkeit sich gegen Flugzeuge, Hubschrauber und vor allem gegen Drohnen verteidigen zu können. Daher hätte man erwartet, dass diese Lücke beim Heer durch Investitionen aus dem Sondervermögen kurzfristig geschlossen wird. Aber einen modernen Flugabwehrpanzer sucht man derzeit auch vergebens in der Beschaffungsliste.

 

Persönliche Ausrüstung ist zwar auch wichtig, aber mit neuen Stiefeln, Helmen, Rucksäcken und digitalen Funkgeräten alleine ist es beim Heer nicht getan. Es fehlt hier auch ein klares Signal bei den Waffensystemen. Aufgrund der Situation sind alleinige Beschaffungen von Schützen- und Transportpanzer (deren Wichtigkeit nicht in Frage zu stellen ist) kaum als ausreichend zu bezeichnen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man in den Köpfen noch bei der Ausrüstung einer Stabilisierungsarmee ist. Um die Landesverteidigung zu stärken und die angekündigte führende Rolle in der Nato einzunehmen, fehlt es im Bezug auf das Heer an entscheidenden Impulsen.

 

Hinzu kommt, dass es der Bundeswehr an Munition fehlt. Es erstaunt, dass man diese Situation beobachtete aber keine Maßnahmen eingeleitet hat. Nun soll ein Munitionsgipfel dieses weitere Problem lösen. Man hat den Eindruck, es wird den Situationen hinterhergelaufen anstatt vorausschauend gehandelt.

 

Es ist schon erstaunlich, dass das Heer bei der Verteilung des Sondervermögens derart schlecht gestellt wird und die Beschaffung von Hauptwaffensystemen fehlt. Das Heer würde, in einem hoffentlich theoretisch bleibenden Verteidigungsfall, eine Hauptlast tragen. Daher ist man hier gerade auf sehr gute Ausrüstung und leistungsfähige Waffensysteme in ausreichender Stückzahl angewiesen.

 

Ich denke, man sollte sich aber auch keinen Illusionen hingeben. 100 Mrd. Euro hören sich zunächst nach viel an. Aber nachdem die Bundeswehr in der Vergangenheit vernachlässigt und auf eine Stabilisierungsarmee umgestellt wurde, wird diese Summe alleine aus der Bundeswehr keine leistungsfähige Armee zur Landes- und Bündnisverteidigung machen. Die Versäumnisse und massiven Einsparungen der Vergangenheit werden noch lange nachhallen.

 

An Zurückstellungen von Projekten oder Stückzahlreduzierungen bei Heer und Marine ist zu erkennen, dass schon die bisher geplanten Beschaffungen nicht durch die 100 Mrd. abgedeckt sind. Dieses erklärt andererseits das fehlen von schweren Waffensystemen für das Heer in der Beschaffungsplanung. In diesen Zusammenhang erscheinen meine Überlegungen bezüglich schwerer Waffensysteme für das Heer schon wieder illusorisch.  Das Sondervermögen kann daher allenfalls als der Beginn einer Wende bei der Bundeswehr gesehen werden. Der Preis für das Kaputtsparen der Bundeswehr wird erst noch über die Jahre zu zahlen sein, mit deutlich höheren Verteidigungshaushalten. Denn wenn nicht aus dem Sondervermögen, dann wird man u. a. die erforderlichen Waffensysteme des Heeres über diese finanzieren müssen.

 

Die Bundeswehr ist eine Bündnisarmee, aber sich dahinter zu verstecken, dass andere Nato-Partner die bei der Bundeswehr fehlenden Waffensysteme ergänzen, entspricht nicht der angekündigten Führungsrolle Deutschlands in Europa. Hier ist die Regierung gefordert den Worten auch Taten folgen zu lassen. Es bleibt abzuwarten, ob der politische Wille für den finanziellen Kraftakt zur Behebung der verfehlten Sicheitspolitk der Vergangenheit wirklich vorhanden ist.

 


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